Geschichte


200 Jahre Monheimer Apothekengeschichte - 130 Jahre Rhein Apotheke

 Vorwort

Vor einem Jahr erhielt ich ein Schreiben der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Die IHK machte darauf aufmerksam,dass die Monheimer Apotheke ein Jubiläum begehen könnte. Nach alten Unterlagen sei in den Jahren 1804/05 erstmals eine Apotheke in Monheim urkundlich erwähnt. Dies brachte mich auf die Idee, den Versuch zu unternehmen, eine kleine "MonheimerApothekengeschichte" zu erstellen. Außerdem war mir natürlich bekannt, dass mein Urgroßvater, Johann Ludwig Proempeler, im Jahre 1876 mit seiner Familie als Apotheker nach Monheim gekommen war. Diese beiden Anlässe lassen sich rein zufällig zu einer Art Doppel-Jubiläum nutzen: 200 Jahre Monheimer Apothekengeschichte, 130 Jahre Rhein Apotheke.

Ich erhebe nun nicht den Anspruch, ein historisches Machwerk zu erstellen. Dazu fehlt es ganz einfach an Kompetenz. Dennoch bin ich bemüht, ordentliche, nachvollziehbare Quellen zu nutzen, um der reinen Wahrheit die Ehre zu geben. Diese Quellen können jederzeit bei mir abgeholt werden. Ich nehme mir allerdings durchaus das Recht, auch mündlich Überliefertes wiederzugeben. Ich denke, dass die Reputation der Überlieferer die Richtigkeit solcher Aussagen garantiert. Auf diese Weise hoffe ich, dass eine kleine Chronik entstehen wird, in der sich Nachdenkliches, Ernstes und Lustiges mischt. Somit ist zuhoffen, dass für jeden Leser etwas dabei sein wird.
Georg Proempeler

Monheim um 1800

 

Apothekenstart (1805-1810)

Sie erinnern sich: Im ersten Teil der Apotheken-Chronik Monheims ging es um die Verhältnisse in unserem Ort zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der landwirtschaftlich geprägte Sprengel mit ca. 1500 Einwohnern führt zu dieser Zeit ein beschauliches Dasein am Rhein und mit dem Fluss. Um 1800 üben die Monheimer - wie in solchen Gemeinden üblich - Berufe aus wie "Ziegel- und Dachziegelbäcker", Korbmacher, Holz- und Landwirt, Fischer und Fährmann, Schmied, Maurer, Zimmermann und Dachdecker, Sattler, Schreiner, Stellmacher, Bäcker, Metzger, Schneider und Schuster. Bald kommen die Weber hinzu und später die Scherenschleifer, die in Heimarbeit "für die aufstrebende bergische Industrie" zu arbeiten beginnen. Es gibt einen Arzt im Ort "und natürlich zählen der katholische Pfarrer, Vikar und Küster, Vogt und Amtmann, Freiheits- und Gerichtsschreiber, Bürgerbote, Nachtwächter und Flurhüter... zu den Berufen und Bediensteten." Im Jahre 1805 erweitert sich diese Liste nun um einen weiteren Berufsstand: Ein Apotheker lässt sich nieder und eröffnet die "Monheimer Apotheke". Zur damaligen Zeit ist dies durchaus ein Ereignis. Das Apothekenwesen ist noch meilenweit von jedem Gedanken an Niederlassungsfreiheit entfernt. Eine Apotheke zu eröffnen, bedarf der Zustimmung der Regierung. Viele Schritte sind zuvor zu beachten: Anträge müssen gestellt werden, Begründungen gilt es abzugeben, die wirtschaftliche Grundlage des Standorts muss geprüft und nachgewiesen werden usw. Man bedenke: Weder Langenfeld noch das reiche, selbstbewusste und damals noch selbstständige Benrath weist 1804/05 eine Apotheke auf. Und das will etwas heißen, ist Benrath doch stolzer Sitz des "im Benrather Schloß oft weilenden Kurfürsten". Die nächsten Apotheken finden sich vor 200 Jahren in Opladen, Eller, Köln-Mülheim und Hilden. (Die Letztgenannte besteht als einzige von diesen heute ebenfalls noch: Adler-Apotheke, Fußgängerzone Nähe Hildener Rathaus.) So ist es kein wunder, dass Fritz Hinrichs in seinem Buch über Monheim auch 1962 noch voll lokaler Genugtuung schreiben darf: "Die Monheimer Apotheke ist eine der ältesten im Kreise... Zwischen Köln und Düsseldorf gab es nur hier eine Apotheke. Aus dieser Tatsache ist zu ersehen, welche Bedeutung Monheim bereits vor 150 Jahren hatte." Nach diesem kurzen Ausflug in den Lokalpatriotismus zurück in das Jahr 1805.

Im fernen Beyenburg bei Köln droht die dortige Apotheke nach vielen Jahren eines zermürbenden Überlebenskampfes einzugehen. Der Apotheker Michael Salomon Broicking leitet ursprünglich diese Offizin (Apotheke). Nach seinem Tod übernimmt die Ehefrau das Geschäft. In allen verfügbaren Quellen wird sie nur "die Witwe Broicking" genannt. Sie selbst ist keineswegs Apothekerin, aber das seinerzeit geltende Recht erlaubt ihr die Fortführung der Apotheke zur Sicherung der eigenen Existenz unter bestimmten Umständen. Eine dieser Bedingungen ist die Einstellung eines Provisors. Dieser muss Apotheker sein. Heute würde eine solche Position wohl als Geschäftsführer bezeichnet. Die Witwe Broicking sieht sich schon bald in arger akuter wirtschaftlicher Not, gilt ihre Apotheke in Beyenburg doch als "hoch verschuldet"; außerdem wird sie "kaum frequentiert." Also liegt offenbar nichts näher, als mit einem Ortswechsel den Umschwung zu versuchen. Auserkoren wird 1804 zunächst Neviges. Allein, die Verhandlungen scheitern. So richtet sich die Aufmerksamkeit der Witwe Broicking 1805 auf das aufstrebende, wenn auch beschaulich-idyllische Monheim. Vermutlich lockt hier neben dem wirtschaftlichen Aufwärtstrend des Dorfes auch das recht große Einzugsgebiet angesichts der oben geschilderten Apothekensituation in der Umgebung Monheims. Es stellt sich natürlich die Frage, wie es der Witwe Broicking trotz ihrer Verschuldung gelingen kann, ihre Apotheke samt Provisor überhaupt zu verlegen. Nun, die Dame hat noch ein As im Ärmel. Die "Kanonie Beyenburg" schuldet ihr nämlich ein hübsches Sümmchen aus einer "Schuldverschreibung vom 11. September 1793". Leider nur kann oder will sie es nicht zurückzahlen. Witwe Broicking wendet sich in ihrer Not voller Empörung, Rechtschaffenheit und nicht zuletzt mit Nachdruck "direkt an den Kurfürsten". Dieser zahlt ihr wohl das ausstehende Geld - die Witwe kann die Verlegung nach Monheim bezahlen.

Somit erhält der neue Stolz des Ortes, die Apotheke, am 23. März 1805 die Genehmigung des Medizinalrates zur Eröffnung. Besitzer der Monheimer Apotheke ist also eine kampferprobte Dame, die Witwe Broicking. Angestellter Leiter der Offizin ist als Provisor der Apotheker Wilhelm Mann. Als erstes Domizil gilt "ein Haus neben der Wirtschaft Rüphahn" (heute "Gaststätte Alter Markt", Turmstraße), wo das Geschäft "in gemieteten Räumen" betrieben wird. Es darf vermutet werden, dass der Start des Unternehmens "Monheimer Apotheke" gelingt getreu dem Grundsatz "Keine Nachrichten sind gute Nachrichten", denn, so wird berichtet:"Aus den nächsten fünf Jahren gibt es keine Nachrichten über die Monheimer Apotheke."

Und das lesen Sie in der nächsten Folge:
Trauriger Abschied von der Witwe Broicking.
Ist die Pflegeversicherung wirklich eine Errungenschaft unserer Zeit?
Sind alle Verwalter gute Verwalter?
Was macht ein Monheimer Apotheker in den Anfängen des 19. Jahrhunderts an düsteren Novemberabenden, wenn ihn "dat ärme Dier" packt?
Und überhaupt: Wer behauptet, dass "Dallas", "Denver-Clan", "GZSZ" und " Verliebt in Berlin" im Monheimer Apothekenwesen der Jahre 1817/18 nicht längst schon Realität waren?
Spannende Fragen, die nach Beantwortung verlangen.

Broicking - Batz - Werkshagen: Turbulente Jahre 1810-1820


Zuletzt konnten Sie lesen, unter welchen Umständen und wie überhaupt es zur Gründung der Monheimer Apotheke im Jahr 1805 kam (s. Chronik Teil 2). Besitzerin des Unternehmens ist die Witwe Broicking. Sie selbst ist keine Apothekerin, hat das Recht auf Besitz aber von ihrem Mann geerbt, dem Apotheker Michael Salomon Broicking. Wichtige Bedingung: sie muss einen qualifizierten Leiter engagieren. Sie findet diesen in der Person des Apothekers Wilhelm Mann, der als so genannter Provisor im Auftrag der Witwe die Monheimer Apotheke leitet.

Fünf Jahre lang finden sich nunmehr keine weiteren Nachrichten über das Geschäft der Witwe Broicking. Erst das Jahr 1810 bringt Neuigkeiten. So existiert ein Protokoll, datiert auf den 29. Juli 1810, in dem von einer Visitation der Monheimer Apotheke berichtet wird. Schon damals hat der Staat bzw. die Regierung als Aufsichtsbehörde die Pflicht, das Gesundheitswesen zu prüfen. Dazu zählt - wie auch heute noch - die regelmäßige Besichtigung der für die medizinisch-pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung zuständigen Stellen; also auch der Apotheken. In diesem o.g. Protokoll wird die Witwe Broicking nach wie vor als Besitzerin der Monheimer Apotheke genannt. Ihr Provisor oder Verwalter ist inzwischen der Apotheker Friedrich Wilhelm Batz, der wohl im Jahr 1807 seinen Vorgänger Wilhelm Mann abgelöst hatte. Friedrich Wilhelm Batz ist derweil von der Witwe Broicking testamentarisch als Nachbesitzer der Apotheke eingesetzt worden, was ihr umso leichter fällt, ist sie doch kinderlos. Zum Zeitpunkt der Apothekenbesichtigung im Juli wird Frau Broicking als "unter geistiger Umnachtung" leidend beschrieben. Sie ist "deshalb nicht geschäftsfähig". Die Visitation erbringt ein schlechtes Ergebnis. Es besteht akuter Handlungsbedarf. Weder die Einrichtung noch das Warenlager gilt als "Vorschriftsmäßig". Jedoch besitzt Batz "als Verwalter weder die entsprechende Vollmacht noch die nötigen Mittel", um die Missstände zu beheben.

Es droht die Schließung der Apotheke in Monheim - ein Debakel für alle Beteiligten. Die Rettung naht in der Person des damaligen Bürgermeisters: "Christian Peters, der Pächter des Fronhofes und Maire der Munizipalität Monheim" bewirkt, dass ein Vertrag geschlossen wird zwischen "den Verwandten der Witwe Broicking" und dem Provisor Batz. Danach zahlt Batz an die Verwandten der Witwe "350 Reichstaler", "wofür sie die kranke Frau pflegen müssen."(Sage noch einer, die Pflegeversicherung ist eine Errungenschaft der Neuzeit.) Als Gegenleistung erhält Batz die Apotheke vorzeitig, also bereits zu Lebzeiten der Frau Broicking. Die Regierung stimmt dem Handel im Grundsatz zu, und so sind im Sommer 1810 alle Kühe vom Eis bzw. alle Interessen befriedigt: Monheim behält seine Apotheke, die Pflege der alten und kranken Witwe Broicking ist geregelt und Friedrich Wilhelm Batz ist nunmehr Besitzer einer eigenen Apotheke. Fehlt nur noch die leidige Behebung der misslichen Zustände in Monheims Apotheke (s.o.). Aber auch dieses letzte Hindernis wird offenbar mit vereinten Kräften überwunden wie nachzulesen ist: "Bei der nächsten Visitation am 12. September 1811 durch Dr. Servaes, Kreisphysikus Dr. Mayntz und Apotheker von Zütphen aus Düsseldorf" findet die Kommission "eine zweckmäßig eingerichtete Apotheke vor, deren Arzneivorräte kaum Anlass zu Beanstandungen" gibt. Ruhe kehrt jedoch nur für kurze Zeit ein: "Wie aus verschiedenen Anzeigen des Wundarztes Berringer hervorgeht, beginnt Batz zu trinken, wie viele seiner damaligen Kollegen." Über die Gründe schweigen sich die verfügbaren Quellen aus. Aber zumindenst was die Monheimer Situation betrifft, dürfen unter anderem wirtschaftliche Gründe vermutet werden. Folge ist, dass Herrn Batz nach einer Begutachtung durch den bereits erwähnten Dr. Servaes vom 15. August 1814 sicherheitshalber "die Haltung eines befähigten Gehilfen auferlegt" wird. [Ein Gehilfe war im Gegensatz zu einem Provisor kein Apotheker und durfte somit auch nicht als Leiter fungieren.]

Leider erweist sich Apotheker Batz als nicht heilbar. Im Gegenteil: es wird noch schlimmer mit ihm. So wird berichtet: "Da Batz bald wegen seiner Trunksucht unter Schwachsinn litt, verfügte die Regierung 1817, ... einen geprüften Provisor einzustellen." Dies erweist sich allerdings als äußerst schwierig, gilt die Monheimer Apotheke doch als "wenig bedeutend." Endlich findet sich mit Peter Hanstein ein ernsthafter Interessent, der die Verwaltung der Apotheke übernehmen möchte. Die Sache hat leider einen Haken, denn Herr Hanstein muss erst noch sein Provisorexamen ablegen. Der geneigte Leser ahnt schon, was passiert: "Wegen mangelnden Wissens fällt er [Peter Hanstein] am 8. Oktober 1817 durch." Schließlich findet sich mit Carl Werkshagen doch noch ein geprüfter Provisor. Er übernimmt im Dezember 1817 die Leitung von Monheims Apotheke. Die Düsseldorfer Familie des Apothekers Batz hat inzwischen auf die Trunksucht und den Schwachsinn des armen Friedrich Wilhelm reagiert und dessen "Schwester Theodore ... zur Führung des Haushaltes und zur Überwachung des Provisors" nach Monheim beordert. Aber auch die wackere Theodore kann nicht verhindern, dass der Provisor Werkshagen hinter ihrem Rücken ein intrigantes Spiel betreibt. Er analysiert die Situation und kommt zu einem dreisten Schluss: Carl Werkshagen bewirbt sich hinter dem Rücken seines armen Chefs Friedrich Wilhelm Batz und dessen wackeren Schwester Theodore "am 26. April 1818 um eine eigene Konzession für Monheim." In der Begründung vergisst Werkshagen nicht den "ausdrücklichen Hinweis auf die schlecht geführte Bartz`sche Apotheke." Natürlich entzieht Apotheker Batz dem Provisor Werkshagen sofort die Verwaltung. Die Regierung reagiert umgehend und schließt am 12. November 1818 die Monheimer Apotheke bis zur Klärung der inzwischen so unübersichtlich gewordenen Verhältnisse.

Batz gegen Werkshagen - Einer wird gewinnen (aber wer?); Bleizuckerproduktion: Ein Monheimer Apotheker wird zum Hersteller; zwei Standortverlegungen in kurzer Zeit.

Die Ära Carl Werkshagen beginnt

Voraus eine kurze Zusammenfassung der drei bisherigen Kapitel:
Die ersten zwei Jahrzehnte nach der Gründung einer Apotheke in Monheim verlaufen äußerst wechselhaft und gipfeln schlussendlich in der am 12. November 1818 von der Regierung angeordneten Schließung. Ursache und Anlass hierfür ist der schlimme und tragische Gesundheitszustand des seit 1810 amtierenden Apothekers Friedrich Wilhelm Batz. Dieser wird erstmals 1814 wegen seiner "Trunksucht" auffällig, die sich leider nicht bessert. Als dann im Jahr 1818 auch noch von einem sich entwickelnden "Schwachsinn" die Rede ist, muss Apotheker Batz einen Provisor - eine Art Geschäftsführer - einstellen. Er findet ihn nach langer Suche im Apotheker Carl Werkshagen. Dieser jedoch betreibt schon bald hinter dem Rücken seines Chefs den Versuch, eine eigene Konzession für Monheim zu erhalten. Dies geschieht nicht zuletzt unter dem Hinweis auf die aktuellen unhaltbaren Zustände in Monheims Apotheke, die er selbst in seiner Funktion als Provisor offenbar nicht beheben kann, oder will. Ein kompletter Neuanfang unter seiner Leitung, so lautet der Vorschlag von Carl Werkshagen. Dies also ist die konkrete Situation, die die Regierung am 12.11.1818 veranlasst, die Apotheke zu Monheim erst einmal zu schließen. Und hier setzt nun der 4. Teil der Chronik ein, in dem es v.a. um die überaus schillernde Person Werkshagen geht, die in den Chroniken einigen Platz einnimmt, obwohl seine Zeit in Monheim nur sieben Jahre dauert. Diese aber haben es in sich.

Der für das Apothekenwesen damals zuständige "Oberpräsident Graf zu Solms-Laubach" mit Sitz in Köln erteilt am 15. Dezember 1818 tatsächlich dem Antrag führenden Carl Werkshagen die Genehmigung und sogar den Auftrag, "die geplante [neue] Apotheke bis zum 31. Mai 1819 in einem tadelfreien Zustand eingerichtet zu haben." Natürlich ist die Familie des um seine Konzession gebrachten kranken Apothekers Friedrich Wilhelm Batz keineswegs bereit, diese Entscheidung kampflos hinzunehmen. Schließlich hat der Besitz einer Apothekenkonzession damals nicht zuletzt auch auf Grund der Vererbbarkeit eine nicht geringe Bedeutung, stellt dieser Besitz doch eine gewisse materielle Sicherheit dar. So wundert es nicht, dass Johann Batz, der Bruder des armen Kranken und selbst Besitzer der Adler-Apotheke in Düsseldorf, umgehend Beschwerde eingelegt sowohl gegen die Schließung der Monheimer Apotheke seines Bruders als auch gegen die Entscheidung des Oberpräsidenten zugunsten der Neueröffnung des Kollegen Werkshagen. Der Fall geht bis nach Berlin, wo das "Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten" sitzt, welches offenbar hier gefordert ist. Das Ministerium teilt nach einigen Briefwechseln "mit Schreiben vom 8. Dezember 1820" schließlich "dem Oberpräsidenten in Köln sein Befremden über den eingeschlagenen Weg mit." Gleichwohl bestätigt es "aber die Schließung der Apotheke Batz und Konzession für Carl Werkshagen." Apotheker Werkshagen hat sein Ziel erreicht. Er darf mit eigener Konzession seine Apotheke in Monheim betreiben und seine Vorstellungen vom Apothekenwesen umsetzen. Dynamisch geht er die Aufgabe an. Schon am 6. Mai 1819 - also drei Wochen vor der vom Oberpräsidenten in Köln gesetzten Frist - kann die Monheimer Apotheke von der Aufsichtsbehörde visitiert werden. Diese amtlichen Besichtigungen dienen - wie übrigens auch heute noch - der Feststellung etwaiger Mängel und sind die Voraussetzung zum Betrieb einer Apotheke. Von der Begehung der Apotheke zu Monheim am 6.5. ist zu lesen: "Obwohl noch nicht alles den Vorschriften entsprach, genehmigte die Regierung am 17. Mai die Eröffnung mit der Auflage, die vorhandenen Mängel bis zum 30. Juni zu beseitigen. Insbesondere forderte sie die Trennung von Laboratorium und Hausküche." Was sich heute ein wenig lustig liest, denn die Trennung des heimischen Herdes von der "Giftküche" eines Apothekenlabors damaliger Prägung erscheint allein schon aus überlebenstechnischen Gründen äußerst plausibel, das ist für den Apotheker Werkshagen gar nicht so einfach. Er muss seine Offizin (Apotheke) nämlich zunächst noch in "gemieteten Räumen" betreiben, wo offenbar eine gewisse Enge in Kauf zu nehmen ist. Als dann aber die Besichtigungskommission "am 28. Juni 1820 die Apotheke erneut visitiert, hat sich vieles geändert." Vor allem eines: sie ist umgezogen. Das Protokoll der Besichtigung vom 28.6. weist folgendes Zitat auf: "Das Lokal der Apotheke war sehr schön, bequem, geräumig und zweckmäßig wie man selten ein Gebäude auf dem Land antreffen wird." [Über diesen Standort ist an anderer Stelle zu lesen, er befände sich "in einem Haus neben der Wirtschaft Rüphan" - heute "Alter Markt", Turmstraße 17.]

Diese lobende Formulierung des "Kreisphysikus Dr. Spiritus" muss vor allem vor dem Hintergrund der zu Beginn des 19. Jahrhunderts anzutreffenden Wohnverhältnisse bewertet werden. Es sei stellvertretend ein Zitat angeführt, das sich findet in "Zeiten einer Stadt 1150-2000". worin über Monheim auf S. 96 geschrieben steht: "Man findet Wohnungen, wo Stube und Viehstall eins ist." usw. [Dem weiter interessierten Leser sei die ausführliche Lektüre ebendort empfohlen.]
Aber weiter in unserer Geschichte.

Carl Werkshagen hat in kurzer Zeit eine Menge erreicht: "Ihm ist die Übernahme der Monheimer Konzession gelungen (wenn auch auf umstrittene Art und Weise), er hat die Monheimer Apotheke neu eröffnet und dadurch den Standort vorerst geradezu gerrettet. Und schließlich ist ihm auch noch zumindenst ein Umzug gelungen, was ihm das Lob der Aufsichtsbehörde einbringt. Allein diese kurze Zusammenfassung lässt in der Tat den Schluss zu, dass der Apotheker Carl Werkshagen äußerst ehrgeizig, unternehmungslustig und strebsam ist- mit einem Wort, er ist ein aktiver Mensch. Was könnte einem solchen Charakter noch fehlen zu seinem Glück? Natürlich: ein Eheweib! Und so wundert es überhaupt nicht, dass Carl Werkshagen in seinen beruflichen Unternehmungen eine Pause einlegt und - heiratet. Die Auserwählte ist "Amalie Zurnieden aus Hittorf", wie die Originalquelle uns erzählt. [Fast unnötig zu erwähnen, dass 1820 und 1822 die Kinder Carl Wilhelm Julius und Julie Caroline geboren werden.] Die schöpferische Pause im Berufsleben des Besitzers der Monheimer Apotheke dauert jedoch nicht lange. 1821 beantragt Carl Werkshagen die Errichtung eines "chemischen Laboratoriums zur Herstellung von Bleizucker"; der Apotheker Werkshagen möchte Produzent werden. Wo aber findet sich hierfür ein geiegneter Standort? Carl Werkshagen schlägt "ein Gebäude nahe der Kirche" [Anm.: St. Gereon] vor. Ein Aufschrei - zumindenst aber ein bedenkliches Stöhnen - geht wohl daraufhin durch die Monheimer Bevölkerung und das aus folgendem Grund: "Wegen der damit verbundenen Feuergefahr". Der damalige Bürgermeister Rosellen, so ist zu lesen, spricht sich gegen den Standort aus und legt bei der Regierung Widerspruch ein. Schon wieder sorgt der streitbare Werkshagen für Unruhe im Dorf. Muss er denn unbedingt unter die Fabrikanten gehen?! Und dann zu allem Überfluss auch noch in ein Gebäude neben der Kirche!

So oder so ähnlich dürften die Gedanken der Monheimer in etwa ausgesehen haben. Ob sich Carl Werkshagen erneut mit seinem Dickkopf durchsetzt? Oder teilt die Regierung die Bedenken des Bürgermeisters? Die Antwort wird Sie verblüffen.

Werkshagen - Cremer - Kleinertz - die Jahre 1823 bis 1859

Zunächst ein kurzer Rückblick auf den letzten Teil unserer Chronik (die ersten Teile oben):
Apotheker Carl Werkshagen übernimmt 1818 die Monheimer Apotheke. Sie ist zu diesem Zeitpunkt ein wenig heruntergewirtschaftet. Werkshagen gelingt es in den folgenden Jahren, sein Geschäft wirtschaftlich zu stabilisieren. Auch gegenüber der Aufsichtsbehörde schafft er es, die von ihm geführte Monheimer Apotheke in einen durchgehend ordentlichen Zustand zu bringen. Werkshagen heiratet Amalie Zurnieden, eine Hitdorferin. Schon bald kommen zwei Kinder zur Welt und alles deutet darauf hin, dass sich die Monheimer Apotheke und ihr Umfeld in ein ruhiges Fahrwasser begibt. Ja, wäre da nicht der unruhige, ehrgeizig-fordernde Charakter des Apothekers Werkshagen im Weg. Denn diesem genügt das traditionelle Apothekengeschäft nicht. Er möchte zusätzlich in die Produktion einsteigen.

Apotheker Carl Werkshagen beantragt im Frühjahr 1821 die Einrichtung eines "chemischen Laboratoriums zur Herstellung von Bleizucker", das er gerne zusätzlich zur Apotheke betreiben möchte. [Anm: Bleizucker ist chemisch Bleiacetat, eine Verbindung von Blei und Essigsäure. Die kristalline Substanz hat einen süßen Geschmack; daher der Name Bleizucker. Sie ist gut wasserlöslich und giftig. Aus den beiden ersten Eigenschaften ergibt sich ihre damalige Verwendung als Zuckerersatz. Aus der letzten Eigenschaft, der Giftigkeit, ihre Problematik, die in der Anwendung der Substanz als eher niedrig dosierter Zuckerersatz allerdings nicht akut ist. So soll Ludwig von Beethoven an einer Vergiftung gestorben sein "dank" des Genusses von Weinen, die mit Bleizucker gepanscht waren.] Werkshagen möchte auf diese Weise seine "offensichtlich kärglichen Einkünfte" verbessern. Allerdings sorgt sein Antrag auf Genehmigung der Bleizuckerproduktion in Monheim für große Aufregung in der Bevölkerung. Eine kontroverse Diskussion setzt ein. Bürgermeister Rosellen trägt gegenüber der Regierung die Bedenken der Monheimer vor, die vor allem bestehen "der Feuergefahr wegen". Carl Werkshagen kontert mit dem Hinweis, zwecks Berücksichtigung der Sicherheitsbedenken eigens einen Neubau errichten zu wollen, in den er dann auch die Apotheke verlegen möchte. Als Standort schlägt er ein Grundstück "an der Kirche" vor. In späteren Quellen wird das Anwesen bezeichnet als "Haus Nr. 60 am Kirchhof", heute Zollstraße 1. [Anm: Das Fachwerkhaus existiert heute noch, dient als Wohngebäude, befindet sich seit 1955 im Kirchenbesitz.] Die Regierung nimmt die Einwände des Bürgermeisters durchaus ernst, steht dem Antrag des Apothekers Werkshagen aber insgesamt wohlwollend gegenüber. So erteilt sie zunächst dem "Landrat den Auftrag, auf die Einhaltung der polizeilichen Auflagen zu achten." Dieser überzeugt sich "an Ort und Stelle von den Sicherheitsvorkehrungen". Daraufhin erteilt "die Regierung in Düsseldorf endgültig die Genehmigung zum Betrieb des Laboratoriums." Als Datum für die Erteilung dieser Erlaubnis darf der 23. Januar 1822 gelten. Carl Werkshagen hat sich also erneut durchgesetzt: Nach der auf umstrittene Weise erlangten Konzession zur Führung der Monheimer Apotheke (s. Teil 4 der Chronik) erhält er jetzt auch noch die Genehmigung der Bleizuckerproduktion gegen den Widerstand der Monheimer Bevölkerung.

Jedoch währt dieser Zustand nur etwa zweieinhalb Jahre. So wird im Juli/August 1824 in den Regierungsakten von einem ersten Versuch Werkshagen berichtet, die Monheimer Apotheke zu verkaufen. Warum will Carl Werkshagen nach all den Anstrengungen und Klimmzügen - u.a. nach zweimaliger Verlegung des Standortes -jetzt verkaufen? Nun, die Vermutung liegt nahe, dass der Ruhelose ganz einfach enttäuscht ist vom Fortgang der Dinge, entwickeln sich "Apotheke und Herstellung doch wohl nicht nach der Vorstellung von Werkshagen". Zwei Kaufinteressenten winken zunächst ab angesichts der Werkshagenschen Preisvorstellungen. Im Februar 1823 findet sich schließlich dann doch ein Käufer. Der Apotheker Johann Joseph Cremer handelt den Kaufpreis für die Apotheke zu Monheim erheblich herunter und wird am 23. September 1825 als neuer Besitzer in den Akten niedergelegt. Über diesen Apotheker Cremer finden sich nicht allzu viele Informationen in den Unterlagen, denn ab sofort wird es rund um die Monheimer Apotheke vorerst seriös zugehen. Cremer ist "Provisor in Ürdingen", bevor er mit 38 Jahren nach Monheim kommt. [Anm: Provisor = Geschäftsführender Leiter einer Apotheke, aber nicht Besitzer.] Sicherlich lockt ihn die Aussicht auf die mit der Monheimr Apotheke verbundene Konzession, auf die Werkshagen ausdrücklich verzichtet und die auf Johann Joseph Cremer übergeht. Zudem weist Apotheker Cremer einen möglicherweise nicht zu unterschätzenden Vorteil gegenüber allen seinen Vorgängern in Monheim bis dahin auf: er ist nämlich Junggeselle - und zwar ein heiterer sowie zufriedener. So erzählt Theodor Proempeler, Apotheker in Monheim von 1955 - 1994 und hier 1929 geboren (über ihn wird in einer späteren Folge noch berichtet werden) anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung im Jahr 1976 lt. Redemanuskript: "1825 kaufte ein Apotheker Johann Joseph Cremer die Apotheke. Der Junggeselle war nach Aussagen alter Monheimer ein recht lustiger Vogel, über den ich in meiner Jugend manch heitere Geschichte gehört habe." Leider gibt uns Theodor Proempeler keine Kostprobe der Heiterkeit des Apothekers Cremer, aber fest steht auf jeden Fall, dass mit seiner Person eine Phase der Ruhe und Solidität in der Geschichte der Monheimer Apotheke beginnt. Am Ende sind es 34 Jahre, die der Apotheker Johann Joseph Cremer in Monheim als Leiter der dortigen Apotheke verbringt - beliebt und hoch angesehen. Wie ist doch in einer weiteren Quelle über Johann Joseph Cremer nachzulesen: "Viele Jahre führte Cremer seine Apotheke zur Zufriedenheit von Publikum und Behörden. Die Protokolle der regelmäßigen Visitationen bezeugen die Sorgfalt, mit der er seine Pflichten erfüllte." Aber das Zitat aus einem anderen Munde lässt bereits erahnen, wie es mit der Geschichte weiter geht. So heißt es dort voller Achtung, Respekt und auch mit ein wenig Mitgefühl: "Mehr als 30 Jahre war Cremer Apotheker in Monheim. Er, der die Leiden vieler Mitbürger lindern half, litt im Alter selbst schwer, so daß er seinen Pflichten nicht mehr nachkommen konnte." Mit 72 Jahren sieht sich Johann Joseph Cremer also gezwungen, seine Monheimer Apotheke zu verkaufen. Leicht fällt ihm dies offenbar nicht, denn er muss ein wenig zu diesem Schritt gedrängt werden. Sein Nachfolger wird den Monheimern wieder erheblich mehr (Dorf-) Gesprächsstoff liefern und vor allem auch einigen Kummer bereiten. Aber dies alles ist eine andere Geschichte.

Kleinertz gegen den Rest der Welt oder: Was hat der städtische Weltbürger auf dem Land verloren?
Die Jahre 1859 bis 1876

Was bisher geschah: Nachdem der unruhige und ehrgeizige Apotheker Carl Werkshagen u.a. nach einem erfolglosen Ausflug in die Fabrikantenzunft (Produktion von Bleizucker - siehe Teil fünf der Chronik) die Rechte an der Monheimer Apotheke an seinen Kollegen Johann Joseph Cremer abgetreten hatte, sorgt dieser über 30 Jahre lang auf angesehene Weise für die Monheimer Bevölkerung. Der Apotheker Cremer übt seinen Beruf mit großer Zuverlässigkeit und wohl von Herzen gern aus. So erstaunt es nicht, dass es ihm schließlich schwer fällt, seine Apotheke aus Altersgründen zu verkaufen. Ja, er muss sogar ein wenig gedrängt werden zu diesem Schritt. Und damit beginnt dieser Abschnitt der Chronik.

Das alters- und krankheitsbedingte Nachlassen der Kräfte des beliebten Monheimer Apothekers Johann Joseph Cremer bleibt der Aufsichtsbehörde nicht verborgen. So schreibt der vom "Oberarzt Dr. Garthe informierte Landrat Melbeck" am 13. August 1859 an den Monheimer Bürgermeister Friesenkoten: "Über Mängel in der Monheimer Apotheke wird geklagt. Ich ersuche Sie, den Apotheker Cremer zu veranlassen, seine Apotheke zu verkaufen, oder aber einen qualifizierten Provisor anzustellen." Am 31. August kommt es daher zu einem Treffen im Amtszimmer des Bürgermeisters. Hierbei sagt Cremer lt. Überlieferung: "Mein vorgerücktes Alter - ich bin 72 Jahre alt - zwingt mich, mein Anwesen zu verkaufen. Es haben sich Berufskollegen gemeldet, die willens sind, die Apotheke zu übernehmen..." Schon die Verwendung der Formulierung "zwingt mich" lässt ahnen, dass Johann Joseph Cremer nur schweren Herzens seine Monheimer Apotheke hergibt. Nach kurzem Verhandeln steht indes sein Nachfolger fest: der Kölner Julius Kleinertz erhält am 29. Oktober 1859 die Konzession zum Betrieb der Apotheke in Monheim.
Das Haupt- Einzugsgebiet der Monheimer Apotheke ist zu dieser Zeit recht groß. Hierzu berichtet der Monheimer Apotheker Theodor Proempeler rückblickend in einer Ansprache, die er anlässlich eines Festes im Jahr 1976 hält (hiervon wird später noch die Rede sein): "Die Apotheke versorgte [bei der Übernahme 1859] räumlich einen großen Kundenkreis, war sie doch die einzige Apotheke zwischen Köln-Mühlheim und Düsseldorf auf der rechten Rheinseite." In der Tat finden sich damals die nächsten Apotheken erst in Hilden, Opladen, Eller und Leverkusen. Die Einwohnerzahlen sehen jedoch nicht so rosig aus, wie eine andere Quelle berichtet:"Eine Einwohnerzählung aus dem Jahre 1828 gab für Monheim 1309, für Baumberg 734 Einwohner an. Auch um 1850 waren diese Zahlen nicht wesentlich anders. Als Hitdorf im Jahre 1857 die Stadtrechte erhielt..., waren in Hitdorf 1931 Personen ansässig." [Anm.: Hitdorf erhielt die Stadtrechte aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung, die es seinem Hafen verdankte. Über diesen erhielt das damals industriell enorm wachsende Bergische Land u.a. vielerlei Waren und Rohstoffe. Deshalb war Hitdorf seinerzeit auch die finanzkräftigste der drei Rheingemeinden.] Diese rund 4000 Einwohner bilden also die Einkommensbasis der Monheimer Apotheke. Der eine oder andere Benrather oder Langenfelder nimmt außerdem den Weg nach Monheim auf sich, um sich pharmazeutisch versorgen zu lassen. Aber die wirtschaftlichen Erwartungen des neuen Monheimer Apothekers Kleinertz erfüllen sich offenbar nicht. Denn nur so ist zu erklären, dass er bereits 1863 die Verlegung der Apotheke nach "Auf der Höhe" mit Schreiben an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf vom 11. November beantragt. Dies ruft selbstverständlich den entschiedenen, erbitterten Widerstand des Monheimer Bürgermeisters hervor. Die Monheimer sind aufgebracht. Sie fühlen sich in ihrem Traditionsbewusstsein verletzt, "weil Monheim von jeher Sitz eines Arztes war und auch schon seit Menschen Gedenken eine eigene Apotheke hatte." So jedenfalls formuliert es durchaus gewitzt und in milder Übertreibung Bürgermeister Friesenkoten. Aber hat der Gemeindechef auch auf die sachliche Begründung des Julius Kleinertz für seinen Antrag auf Verlegung eine antwort, nämlich die zu geringen Einkünfte der Monheimer Apotheke, die ihm nahezu die Ernährung seiner Familie verwehrte? Ohja, die hat Bürgermeister Friesenkoten. Und dabei ist er nicht zimperlich, wie uns eine Quelle lehrt: "Der Bürgermeister von Monheim kämpft naturgemäß um den Erhalt der Apotheke für Monheim u.a. mit der Bemerkung, die Frau des Apothekers führe ein aufwendiges Leben städtischen Zuschnittes." Eine andere Stelle weiß zu berichten, dass das Monheimer Gemeindeoberhaupt außerdem empört ausführt, "der Rückgang des Geschäftes" sei Julius Kleinertz auch deshalb selber Schuld, "weil der Apotheker, wie auch seine Frau, den Kontakt zur Ländlichen Bevölkerung [Monheims bisher] nicht gefunden habe." Schließlich erfahren wir in diesem Zusammenhang auch noch ganz nebenbei etwas über die Familienverhältnisse der Kleinertz: Julius Kleinertz, dessen Vater Arnold "Steuereinnehmer in Euskirchen" ist, hat mit seiner Frau Philippine Hubertine sage und schreibe "sieben Töchter" bzw. "zwölf Kinder", wie aus weiteren Unterlagen hervorgeht. Da erscheint es nicht verwunderlich, dass Kleinertz einen lukrativeren Standort anstrebt. Wie es andererseits des Apothekers Frau fertig bringt v.a. angesichts der genannten Kinderzahlen immerhin vier Monheimer Jahre lang ein Leben "städtischen Zuschnitts" (s.o.) zu führen, bleibt rätselhaft. Da sich im übrigen auch "Kreisphysikus und Landrat" gegen eine Verlegung der Monheimer Apotheke aussprechen, überrascht die Entscheidung der Regierung am Ende nicht: sie schmettert den Antrag ab.

Noch einmal unternimmt Julius Kleinertz den Versuch, die Verlegung der Monheimer Apotheke zu erreichen. Am 19. Juli 1868 richtet er ein neues Gesuch an die Regierung, mit der Apotheke "nach Nippes" umziehen zu dürfen. Als auch dieses scheitert, gibt Kleinertz seine Idee auf. Er hält die Apotheke in "gutem Zustand", wie das Protokoll einer Visitation vom 27. Juni 1870 ausweist. 1875 nutzt Julius Kleinertz dann die Gelegenheit, seinen "Besitz für insgesamt 23000 Mark an Johann Ludwig Proempeler" zu verkaufen. Der Betrag setzt sich folgendermaßen zusammen: "Für Haus und Grundstück 6000 Mark, für Einrichtung und Warenvorräte 6000 Mark und für den Verzicht auf die Konzession 11000 Mark." Mit Urkunde vom 28. März 1876 erhält Johann Ludwig Proempeler die Konzession für die Apotheke zu Monheim und eine Quelle gibt etwas skeptisch an: "Der eben Dreißigjährige verlegte seine Berufstätigkeit aus der Kaiserstadt Aachen in das Bauerndorf Monheim. Er scheint vermögend gewesen zu sein..."
Erinnern diese Formulierungen und Beschreibungen nicht ein wenig an Johann Ludwigs Vorgänger? Droht den Monheimern erneut eine aufreibende Auseinandersetzung mit einem aufstrebenden Apotheker, dessen Erwartungen sich nicht erfüllen? Aber manchmal spielt das Leben ja auch ein anderes Spiel getreu dem Motto: "Erstens kommt es anders und zweitens als du denkst."

Die Zeit des Johann Ludwig Proempeler: Die Jahre 1876 bis 1900

Die Apothekengeschichte der Rheingemeinde Monheim ist dokumentiert ab dem Jahre 1804. Die ersten sechs Folgen dieser Chronik befassen sich mit den rund 70 Jahren bis 1876 und zeigen einen alles in allem recht wechselvollen Ablauf. Wie darin zu lesen ist, erlebt Monheims Apotheke in dieser Zeit sechs Besitzerinnen bzw. Besitzer und zwei Standortwechsel. Hauptgrund für diese fehlende Kontinuität ist die Tatsache, dass nur einer dieser sechs Inhaber - nämlich der Apotheker Johann Joseph Cremer - in Monheim wirklich glücklich oder zumindenst zufrieden ist. Er ist auch der mit Abstand längst amtierende Monheimer Apotheker bis 1876: Er bringt es auf 34 Dienstjahre (1825 - 1859). Alle anderen Apothekenbesitzer vor und nach Cremer sehen früher oder später ihre wirtschaftlichen Erwartungen enttäuscht und verlassen Monheim. Das Apothekenrecht - die Konzession - verbleibt jedoch lt. damals geltenden Bestimmungen beim Standort und wird vom jeweils neuen Eigentümer miterworben. So kommt es denn auch im Jahr 1876 zu folgendem Handel: Der wechselwillige Monheimer Apotheker Julius Kleinertz verkauft seine Apotheke nach 17 Jahren an Johann Ludwig Proempeler für "insgesamt 23.000 Mark. Für das Haus und Grundstück 6.000 Mark, für die Einrichtung und Warenvorräte 6.000 Mark und für den Verzicht auf die Konzession [durch Julius Kleinertz] 11.000 Mark." Zuvor beantragt Kleinertz mehrmals in seinen 17 Monheimer Jahren, die Monheimer Apotheke in andere, gewinnträchtigere Orte zu verlegen. Natürlich verlangt er, die Monheimer Konzession mitnehmen zu dürfen. Dass er dabei auf den erbitterten Widerstand der Monheimer stößt - vertreten durch den Bürgermeister - versteht sich von selbst. So scheitert er jedesmal mit seinem Versuch und sieht sich nun zum Verkauf gezwungen (s.o.).

Wer ist dieser Johann Ludwig Proempeler, der 1876 mit seiner Familie nach Monheim kommt und die Apotheke in der heutigen Zollstraße 1 übernimmt? [Der geneigte Leser mag es mir bitte nachsehen, dass ich hier ein wenig in`s Detail gehe; aber es handelt sich bei Johann Ludwig Proempeler immerhin um den Ur-Großvater des Verfassers dieser Zeilen.] Überliefert ist, dass Johann Ludwig Proempeler in Aachen geboren ist. Er wächst in Kirchberg im Hunsrück auf. Dort amtiert sein Vater als Richter. Johann Ludwig studiert dann Pharmazie in Braunschweig. Später heiratet er Clara Ibach aus Stadtkyll in der Eifel. Claras Vater leitet seit 1837 die dortige Apotheke, und sein Schwiegersohn Johann Ludwig Proempeler arbeitet bei ihm mit. Am 3. Juni 1874 erhält dieser dann seine Approbation und sucht nach einer eigenen Apotheke. Die findet er schließlich in Monheim. Am 28. März 1876 erhält Johann Ludwig Proempeler die Monheimer Konzession. Leicht beeindruckt ist in den Unterlagen zu lesen: "Im Jahre 1876 ging die Monheimer Apotheke an Johann Ludwig Proempeler aus Aachen über. Der eben Dreißigjährige verlegt seine Berufstätigkeit... in das Bauerndorf Monheim." Aus der Wortwahl lässt sich schon eine gewisse Skepsis herauslesen, ob wohl der Städter aus Aachen, der geschichtsträchtigen stolzen Kaiserstadt, auf dem Land und am Rhein klar kommen wird. Schließlich haben vor Proempeler fünf von sechs Apothekern in Monheim mehr oder weniger Schiffbruch erlitten. Zumindenst haben sich deren Erwartungen nicht erfüllt. Und genau das letzt Genannte scheint der entscheidende Punkt zu sein in der damaligen Zeit: Mit welchen Erwartungen geht ein Apotheker nach Monheim? Am Ende wird Johann Ludwig Proempeler 44 Jahre Besitzer und Leiter der Apotheke in Monheims Zollstraße gewesen sein. Er wird mit seiner Frau Clara fünf Kinder haben und eines davon, der am 8.6.1880 geborene Sohn Hubert, wird die Apotheke eines Tages weiterführen.

Aber soweit denkt im Frühjahr 1876 noch niemand. Zunächst gilt es für die Familie Proempeler, in Monheim Fuß zu fassen. Die Situation, die die Proempelers antreffen, ist von vorsichtigen Versuchen der Industrialisierung, der Modernisierung und der Ausdehnung des Ortes nach Osten "vor das Tor des Schelmenturms" geprägt. So berichtet eine Quelle, dass "1871 der Schmied Everhard Bormacher seine Schmiede von der Freiheit vor das Tor des Schelmenturms" verlegt [Anm.: Die Gebäude existieren heute noch im besten, renovierten Zustand] und dass "ihm 1876 der Bierbrauer Tilmann Peters folgt, der seine Brauerei ebenfalls am Steinweg (Freiheit) schließt und draußen vor dem Tore neu erbaut." [Anm.: Die Brauerei bleibt dort bis 2004.] Weiterhin sind Bemühungen um eine Bahnanbindung erwähnt, die einige Jahre später zur Installation der "Gleislosen" führt, die als Vorläufer der O-Busse Personen und Güter in furchterregenden "12 bis 15 Stundenkilometern" von Monheim-Ort zum Katzberg (heute zu Langenfeld gehörend) und damit zur Bahnlinie Köln-Düsseldorf transportiert. Ein weiteres Beispiel für die Fortschritte, die damals auch das Bauerndorf Monheim erreichen, ist im Postwesen vermeldet, denn 1864 wird "auf der Freiheit eine Postexpedition eingerichtet, die 1872 zur Postagentur" erweitert wird. 1879 folgt dann die Steigerung: Eine "Telegraphenbetriebsstelle" wird errichtet, sodass "das Amt ab 1885 als Kaiserliches Postamt firmiert". Monheim wird elektrifiziert (s. Gleislose) und per Telegraphie an den Pulsschlag der Welt angeschlossen.

Aber dies hilft dem Apotheker Proempeler zunächst kaum. Vielmehr das Gegenteil ist der Fall. Denn der industrielle und technologische Fortschritt führt natürlich auch andernorts zum Aufschwung. Daher baut sich ein neues Problem drohend auf: "Johann Ludwig Proempeler fällt es nicht leicht, sich in Monheim zu behaupten und seinen Beruf zu festigen. Er kommt [nämlich] zu einer Zeit in die Rheingemeinde, als sich benachbarte Orte um eigene Apotheken bemühen." Gemeint sind die mit Macht aufstrebenden Nachbarn Benrath und Langenfeld, die immer noch ohne eigene Apotheke da stehen und ansonsten Monheim an Bedeutung inzwischen längst in den Schatten stellen. Das Ausmaß der Bedrohung muss als existentiell angesehen werden. Dies wird deutlich, wenn wir an anderer Stelle lesen: "Bürgermeister Josten von Benrath versucht im Jahr 1884 erneut, sein Ziel zu erreichen [eine Apothekenkonzession für Benrath zu erwirken]. Wenn sein Plan verwirklicht worden wäre, dann hätte das einen Einbruch in den Baumberger Raum bedeutet. Dadurch würde Proempeler an seiner Einnahme Einbuße erleiden... Sein Kundenkreis, der sich aus 1850 Monheimern, 1100 Baumbergern, 1790 Hitdorfern und 750 Berghausenern und Wolfhagenern" zusammensetzt, droht durch eine solche Konkurrenz erheblich zu schrumpfen. Ein Protest gegen den Benrather Vorstoß hat zunächst Erfolg - nicht zuletzt auch wegen der nachhaltigen Unterstützung seitens "Bürgermeister und Landrat". Die Gründung einer Benrather Apotheke lässt sich jedoch auf Dauer nicht verhindern. Nun aber droht neues Unheil aus Langenfelder Richtung, wo "ein Stabsarzt a.D. Dr. Müller sich bemüht, dass in Langenfeld eine Apotheke eröffnet würde." Da ist jetzt guter Rat teuer. Die Benrather Eröffnung lässt sich ja noch soeben verkraften angesichts der - wenn auch langsamen - Aufwärtsentwicklung in Monheim. Aber wenn dazu noch eine Apotheke nach Langenfeld kommt, dann kann der Monheimer Standort einpacken.

Es ist schon ein Jammer: da kommen die Monheimer mit ihrem neuen Apotheker gut zurecht, umgekehrt klappt`s auch, die Apothekerfamilie fühlt sich wohl am Ort und dann droht Ungemach von außerhalb. Was wird passieren? Wie wird Johann Ludwig Proempeler auf die Langenfelder Initiative reagieren? Eine zündende, rettende Idee muss unbedingt gefunden werden! Und sie wird gefunden!

Eine Apothekerfamilie wird sesshaft - die zeit von 1900 bis 1920

In der wechselvollen Geschichte der 1804 privilegierten Apotheke zu Monheim - so wird in der letzten Folge unserer Chronik berichtet (s. dort) - betritt im Jahre 1876 der Apotheker Johann Ludwig Proempeler die Szene. Der damals Dreißigjährige gebürtige Aachener entstammt einer Juristenfamilie und zieht mit seiner Frau Clara über die Stationen Kirchberg (Hunsrück), Braunschweig (Studium) und Stadtkyll in der Eifel, wo er einige Zeit in der Apotheke seines Schwiegervaters arbeitet, schließlich nach Monheim. Dort erwirbt er die Apotheke von seinem Vorgänger Julius Kleinertz, der in der Rheingemeinde nicht recht glücklich geworden war. Proempelers Einzugsgebiet erstreckt sich vornehmlich über den Bereich Monheim (ca. 1850 Bewohner), Baumberg (1100), Hitdorf (1790) sowie Berghausen mit Wolfshagen (zusammen etwa 750 Einwohner). Insgesamt versorgt die Monheimer Apotheke also um 1880 rund 5500 Menschen. Die nächsten Apotheken finden sich in Hilden, Opladen und Düsseldorf-Eller. Die Ende des 19. Jahrhunderts sich fortsetzende industrielle Entwicklung und der damit einhergehende technologische Fortschritt lässt auch an Monheim angrenzende Städte und Gegenden nach weiteren Standortverbesserungen für ihre Einwohner Ausschau halten. Also kommt es nicht überraschend, dass schließlich zunächst Benrath erfolgreich eine eigene Apothekenkonzession beantragt. Dies bedeutet für den Monheimer Apothekenstandort eine gewisse wirtschaftliche Schwächung, handelt es sich hierdurch doch um "einen Einbruch in den Baumberger Raum", wie eine Quelle es bezeichnet. Kaum ist dieser Einschnitt halbwegs verarbeitet, rasselt das im Entstehen begriffene, spätere Langenfeld ungeduldig in den Ketten und wünscht sich 1905 ebenfalls vom Staat massiv den Erhalt einer Apothekenkonzession. Ein "Stabsarzt a. D. Dr. Müller" wird als treibende Kraft erwähnt. Nun ist guter Rat teuer, denn die Monheimer Verhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind keineswegs so komfortabel, dass die Apotheke eine Langenfelder Konkurrenz so ohne weiteres verkraften kann. So erhebt Monheims Apotheker Johann Ludwig Proempeler mit Unterstützung des Bürgermeisters Philipp Krischer, der am 26. April 1897 in sein Amt eingeführt worden ist, Einspruch gegen den Langenfelder Vorstoß. [Anm.: Unter der Amtsführung Philipp Krischers entwickelt sich Monheim maßgeblich. Ihm zu Ehren ist heute die Krischerstraße benannt.] Es entbrennt ein heftiger Streit. An einer Stelle ist gar in diesem Zusammenhang von einem "heftig geführten Zeitungskrieg" die Rede. Die Regierung sieht sich in der Zwickmühle: Hier der durchaus berechtigte Versorgungsanspruch Langenfelds; dort die nachvollziehbare Befürchtung Proempelers, dass seine wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht.

Also suchen die Beteiligten einen Ausweg, der allen Interessen gerecht wird. Und tatsächlich, dieser wird gefunden: Johann Ludwig Proempeler wird "die Errichtung einer Filialapotheke ... genehmigt." [Anm.: Diese Filialapotheke entspricht der heutigen Hubertus-Apotheke auf der Solinger Straße.] Dies stellt nun eine wirklich salomonisch - weise Entscheidung dar: Langenfeld erhält die erforderliche Arzneimittelversorgung, und der Monheimer Apotheker Proempeler partizipiert wirtschaftlich, da er Einnahmen aus seiner Filiale in Langenfeld erhoffen darf. Mit diesen dürften sich die zu erwartenden gleichzeitigen Einbußen seiner Apotheke in Monheim ausgleichen lassen. Juristisch stellt sich die Lage interessant dar: Monheims Apotheke bleibt als Vollapotheke im Besitz der Familie des Johann Ludwig Proempeler. Sie ist nach dem Recht des Jahres 1804, dem Jahr der Konzessionierung, ein so genanntes Realrecht. Dieses bleibt auch nach dem eventuellen Tod des Apothekers zunächst in Familienhand, wird also von der hinterbliebenen Witwe übernommen. [Anm.: Dies ist der eigentliche Sinn dieser Gesetzeskonstruktion gewesen; so sollte die Familie vorerst abgesichert werden. 1804 gab es ja noch keine Sozialversicherung.] Diese - sofern sie selbst keine Apothekerin ist - muss dann natürlich einen qualifizierten Apotheker anstellen, der die fachliche Leitung übernimmt [Anm.: Diese Situation gab es in Monheim übrigens zu Beginn seiner Apothekengeschichte in Person der Witwe Broicking - siehe Teile 1 und 2 dieser Chronik.] Selbstverständlich dürfte auch ein qualifiziertes Kind des Apothekers das Realrecht übernehmen, also erben. Langenfelds Apotheke, die Filiale Monheims, ist 1905 zur Zeit ihrer Gründung (noch) keine Vollapotheke, sondern hängt - zumindest juristisch - am Tropf Monheims. Auch hier muss eine qualifizierte Person eingesetzt werden, also ein Apotheker als Filial-leitender Angestellter des Johann Ludwig Proempeler, dem ja die Rechtebesitzerin in Monheim gehört. Ein weiteres wichtiges Detail ist die Tatsache, dass der Staat 1905 bereits unmissverständlich klar macht, dass die Langenfelder Apotheke irgendwann zur Vollapotheke erhoben werden wird, sofern die Gemeindeentwicklung Langenfelds dies begründen werde. Außerdem ist ebenfalls sicher, dass das Recht, unter dem die Apotheke in Langenfeld dereinst geführt werden wird, kein Real-Recht mehr sein wird, sondern ein Personalrecht. Diese Rechtsform fällt mit dem Ausscheiden des Inhabers in jedem Fall an den Staat zurück. Dieser muss den dann frei gewordenen Apothekerstandort neu ausschreiben und die Konzession nach strengen, genau festgelegten Regeln vergeben. Meist ist dies damals der am längsten Wartende in der Bewerberschaft. Ein möglicher Nachkomme des ausgeschiedenen Apothekers hat hierbei vielfach nur geringe Chancen, die Konzession des Vaters fortzuführen, da er fast nie bereits an der Reihe ist.

Dies alles ist Johann Ludwig Proempeler und seiner Familie im Jahre 1905 absolut bewusst und wird 15 beziehungsweise 23 Jahre später noch eine durchaus wichtige Rolle spielen.
Aber 1905 sieht die Welt der Proempelers noch nicht so ernst aus. Relativ entspannt richten Clara und Johann Ludwig ihren Blick auf fünf Söhne. Der zweitälteste von ihnen, Hubert, am 8.6.1880 in Monheim geboren, tritt in die Fußstapfen seines Vaters und studiert Pharmazie in Bonn. Am 11.1.1908 erhält Hubert seine Approbation. Im gleichen Jahr noch übernimmt er die Leitung der Hubertus-Apotheke in Langenfeld als Filialapotheker Monheims. Vater und Sohn arbeiten gut zusammen. Sie unterstützen sich gegenseitig. Auch wirtschaftlich geht die Rechnung auf. Zwar verliert der Monheimer Standort nicht unerwartet an Kraft, aber dafür macht sich Langenfeld prächtig unter Huberts Leitung. So ist unter anderem zu lesen, dass die Langenfelder Apotheke sich "gut entwickelt, was aus einer Bilanz zu ersehen ist, die 1913 ... vorgelegt werden mußte."

Also betreibt die Familie Proempeler gut 15 Jahre lang einmal die Hauptapotheke in Monheim unter der Leitung von Johann Ludwig, dem Vater, und die Filiale in Langenfeld, die sein Sohn Hubert führt. In diesem Zeitraum verändert sich an der Apothekenkonstellation nichts. Erst 1920 ergibt sich aus traurigem Anlass eine neue Situation, als am 3. April der Besitzer der Monheimer Apotheke, Johann Ludwig Proempeler, im Alter von 74 Jahren stirbt.

Unruhige Zeiten - 1920 bis 1924

Im Jahr 1876 kauft der in Aachen geborene Apotheker Johann Ludwig Proempeler die Monheimer Apotheke. Mit seiner Frau Klara wird er in Monheim schnell heimisch. Über die Jahre kommen fünf Kinder zur Welt, allesamt Söhne: Jakob, der Studienrat wird; Theodor, ein Studienassessor, der sich einen Namen macht als Heimatforscher mit einigen Buchveröffentlichungen (Anm.: Auch heute noch wird aus seinen Büchern zur Geschichte Monheims zitiert); Fritz, der Jura studiert; Student Peter, der als Soldat im 1. Weltkrieg fällt (1916) sowie schließlich Hubert, der Zweitälteste dieser fünf, der Pharmazie in Bonn studiert. 1908 erhält Hubert seine Approbation als Apotheker. Er übernimmt im gleichen Jahr die 1905 gegründete Filial-Apotheke Monheims, die Hubertus-Apotheke in Langenfeld, deren notgedrungene Gründung auf Druck des aufstrebenden Langenfeld zustande kommt. Die Filialregelung soll den Monheimer Apothekenstandort schützen, da befürchtet werden muss, dass die Gründung einer Apotheke in Langenfeld erhebliche wirtschaftliche Einbußen in Monheim zur Folge hätte. Als Filialist jedoch bleiben dem Besitzer der Monheimer Apotheke, Johann Ludwig Proempeler,genügend Einnahmen, um auch den Betrieb in Monheim aufrecht zu erhalten. Zwölf Jahre lang bleibt diese Situation bestehen bis am 3. April 1920 Johann Ludwig Proempeler im Alter von 74 Jahren verstirbt.

Johann Ludwigs Frau Klara entstammt selbst einer Apothekerfamilie. (Anm.: Ihr Vater war Apotheker und besaß die Apotheke im Eifelstädtchen Stadtkyll.) Sie kennt sich also gut aus in der Materie und nutzt zunächst als Witwe die Möglichkeit des geltenden Monheimer Apothekenrechts (Realrecht): Sie bleibt Besitzerin der Apotheke Monheims. Natürlich muss sie einen Verwalter einstellen, da sie selbst keine Apothekerin ist. Das oben erwähnte Realrecht erlaubt dieses Vorgehen. So erhält Klara als Witwe Einnahmen aus der ihr gehörenden Apotheke und gleichzeitig sichert sie der Familie das (Real-)Recht auf die Monheimer Apotheke für einen eventuellen Nachkommen. Und dieser existiert ja auch bereits in der Person ihres Sohnes Hubert, dem Leiter der Monheimer Filial-Apotheke in Langenfeld. Als Verwalter engagiert Klara Proempeler zunächst einen Apotheker namens Adolf Schneider. Sohn Hubert bleibt Filialleiter der Hubertus-Apotheke in Langenfeld. So behält die Familie zwei Eisen im Feuer und kann die Entwicklung abwarten.

Das Jahr 1924 bringt dann zwei spektakuläre und erhebliche Änderungen in das Leben der Proempelers. Beide Ereignisse spielen sich auf scheinbar völlig unterschiedlichen Ebenen ab, nämlich auf familiärer und auf geschäftlich-beruflicher. Und doch haben sie eine Beziehung zueinander. Um dem Rätsel ein Ende zu machen: Die Langenfelder Apotheke wird vom Staat zur Voll-Apotheke erhoben und Hubert Proempeler heiratet im Alter von 44 Jahren die Hitdorfer Lehrerin Gertrud Wohlert, die 37 ist und aus Danzig stammt. Was ist daran nun so Besonderes? Die Umwidmung der Langenfelder Apotheke von einer Filiale in eine eigenständige Vollapotheke hat weitreichende Konsequenzen. Zuerst einmal verliert die Inhaberin der Monheimer Apotheke, die Witwe Klara Proempeler, allen Einfluss auf den Langenfelder Standort, denn zwei Vollapotheken darf man nicht gleichzeitig besitzen. Sie muss also Langenfeld abgeben. Natürlich könnte Hubert versuchen, die Langenfelder Apotheke als Besitzer zu erwerben. Dafür spricht die Tatsache, dass sich die Hubertus-Apotheke über die Jahre wirtschaftlich weitaus besser entwickelt hat als Monheim. Außerdem hat sich Hubert inzwischen im Raum Langenfeld als Apotheker durchaus einen Namen gemacht, da er die Hubertus-Apotheke derweil 16 Jahre lang ordentlich geführt hat. Aber es gibt auch einen gravierenden Nachteil des Standorts in Langenfeld: er erhält kein Real-Recht wie Monheim, sondern ein Personal-Recht. Dies bedeutet, dass die Konzession zur Führung des Geschäfts nur auf eine ganz bestimmte Person ausgestellt wird vom Staat und an eben diese Person allein gebunden ist. Sollte also der Konzessionsinhaber beispielweise schwer erkranken, sodass er selbst nicht mehr zur persönlichen Leitung seiner Apotheke befähigt wäre, oder sogar sterben, ginge diese Personal-Konzession an den Staat zurück. Der schriebe den Standort dann neu aus. Die Familie des erkrankten oder verstorbenen Apothekers - v.a. auch die eventuelle Witwe - hätte also keine Möglichkeit mehr, das Apothekenrecht weiterzuführen, der Familie für einen denkbaren Nachfolger unter den Kindern zu sichern usw. Auf den ersten Blick scheint für Hubert die Entscheidung leicht; er könnte (und sollte) sich auf das kurz- und wohl auch mittelfristig interessante Langenfeld festlegen, also das Angebot annehmen, die von ihm nach oben gebrachte umsatzstärkere Hubertus-Apotheke zu übernehmen und diese der inzwischen deutlich kleineren Monheimer Apotheke vorzuziehen. Hier aber schlägt nun das wirkliche Leben auf privatem Sektor hart und unerbittlich zu: Hubert ist verliebt und heiratet seine Gertrud. Gewiss, beide sind nicht mehr die Allerjüngsten (s.o.). Aber warum sollte sich deshalb nicht doch noch Nachwuchs einstellen? Und warum sollte sich daraus eigentlich kein(e) Apotheker(in) entwickeln?

Als am 4. August 1924 die Hochzeitsglocken von St. Gereon läuten und Gertrud und Hubert sich das Ja-Wort geben, steht schließlich fest: Hubert Proempeler gibt die Hubertus-Apotheke in Langenfeld ab und geht als Nachfolger des bisherigen Verwalters Adolf Schneider (der eine eigene Apotheke übernimmt) als neuer Verwalter der Apotheke seiner Mutter Klara nach Monheim. Hubert zieht also die in die Zukunft gerichteten Vorteile des alten Monheimer Apotheken-Realrechts von 1804 dem aktuell gewinnträchtigeren Langenfelder Personalrecht vor und das, obwohl (noch??) kein Nachwuchs in Sicht ist. Eine schwierige und auch schwerwiegende Entscheidung ist getroffen. Diese wirft einige Fragen auf: Stellt sich bei Gertrud und Hubert tatsächlich noch Kindersegen ein? Aber geht dann die Rechnung auf, dass ein(e) Apotheker(in) darunter sein wird? Hält sich die Monheimer Apotheke überhaupt? Außerdem befindet sich das Land in schwierigen politischen Zeiten; die Weimarer Republik ist nicht gefestigt. Und jeder von uns weiß heute, dass schon bald eine auf 1000 Jahre angelegte Regierung innerhalb von zwölfen alles in Schutt und Asche fallen lässt. Aber dies ist 1924 im August natürlich noch nicht bekannt. Zunächst wird einmal Hochzeit gefeiert. Wie es weitergeht? Lesen Sie den vorletzten Teil der Geschichte der Monheimer Apotheke ab dem 1. März 2007.

Die Jahre 1924 - 1938

In den ersten 75 Jahren des 19. Jahrhunderts wechselt der Besitz der Monheimer Apotheke recht häufig (siehe hierzu auch die ersten neun Folgen dieser Chronik): Inhaber sind in diesen Jahren die Witwe Broicking (1804), die als Leiter den Apotheker Wilhelm Mann engagiert (das damalige Gesetz erlaubt eine solche Konstruktion). Ihr folgt 1810 der Apotheker Friedrich Wilhelm Batz, der 1820 an seinen Kollegen Carl Werkshagen übergibt. Aber schon fünf Jahre später kauft ihm Johann Joseph Cremer aus Uerdingen die Apotheke von Monheim ab. Apotheker Cremer hält es lange in der Rheingemeinde aus: Erst 1859 trennt er sich - nicht ganz freiwillig und durchaus wehmütig - von seinem Unternehmen. Der Kölner Julius Kleinert übernimmt den Betrieb und wird in seinen Monheimer Jahren überhaupt nicht glücklich. So wundert es nicht, dass im Jahr 1876 der nächste Inhaberwechsel ansteht. Der in Aachen geborene Johann Ludwig Proempeler erwirbt Apotheke und Anwesen in der Zollstraße (wie sie heute heißt). Als er 1920 stirbt, übernimmt zunächst seine hinterbliebene Ehefrau Klara den Besitz, den sie von einem Provisor, einem Apotheker namens Adolf Schneider, erst einmal leiten lässt. Aber erstmals in der Geschichte der Monheimer Apotheke besteht die Aussicht, dass das Apothekenrecht Monheims an einen Erben aus der Familie weitergereicht wird, denn Johann Ludwigs und Klaras zweitältester Sohn Hubert hat ebenfalls den Apothekenberuf ergriffen.

Noch leitet er die Monheimer Filiale in Langenfeld, die heutige Hubertus Apotheke (seit 1908). Aber 1924 bestimmt die Regierung, dass der Langenfelder Standort endlich zur selbstständigen Voll-Apotheke erhoben werden soll. Jetzt muss sich Hubert Proempeler entscheiden: Bleibt er in Langenfeld und wird Besitzer der Hubertus Apotheke oder übernimmt er die elterliche Apotheke in Monheim? Für Langenfeld spricht die bessere wirtschaftliche Situation. Die Apotheke dort wirft mehr ab als die Monheimer. Auch die Zukunftsaussichten scheinen im aufstrebenden, zentral liegenden Langenfeld besser zu sein. Für Monheim spricht das ältere Recht, das hier seit über 100 Jahren gilt, das so genannte Real-Recht. Einfach ausgedrückt besagt dieses, dass der Apothekenbesitz vererbbar ist vom Inhaber an seine Hinterbliebenen, z.B. die Witwe. (Anm.: Nur deshalb durfte Klara Proempeler die Apotheke ihres verstorbenen Mannes behalten; natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sie als Nichtapothekerin einen qualifizierten Apotheker als Provisor = Verwalter einstellte.) Das Langenfelder Recht jedoch ist ein modernes zur damaligen Zeit, nämlich ein Personal-Recht. Ein solches bleibt ausschließlich an eine konkrete Person gebunden. Gibt diese Person den Standort und damit das Recht auf oder ist sie aus persönlichen Gründen nicht mehr in der Lage, die Apotheke zu führen (z.B. wg. Krankheit, Alter o.ä.) oder stirbt der Rechte-Inhaber gar, dann fällt die Konzession an den Staat zurück. Dieser muss daraufhin die Stelle neu ausschreiben und nach genau festliegenden Kriterien vergeben. In der Hauptsache entscheidet dabei das Alter und die Wartezeit der Bewerber über die Vergabe der verwaisten Apotheke. Ein eventueller Nachfolger aus dem Familienkreis des eben ausgeschiedenen Besitzers hat normalerweise hierbei so gut wie keine Chance auf den Erhalt der Konzession. Denn immer muss damit gerechnet werden, dass es zumindest einen Kollegen im Bewerberkreis gibt, der älter ist und schon länger darauf wartet, eine eigene Apotheke zu übernehmen.

Im Langenfelder Fall ist dies umso wahrscheinlicher, handelt es sich doch dort um einen modernen, gut eingeführten und v.a. aufstrebenden Standort in einem Wachstumsumfeld (wie es heute wohl ausgedrückt würde). Dies alles ist Klara Proempeler und ihrem Sohn Hubert natürlich bewusst, als 1924 also die Entscheidung getroffen werden muss. Und sie fällt zugunsten Monheims. Sicherlich trifft Hubert sie schweren Herzens. Schließlich ist er seit 1908 - also seit 16 Jahren - Leiter der Langenfelder Apotheke. Er hat sich an diesem Ort sozusagen etwas aufgebaut. Das alles muss er jetzt aufgeben bzw. einem Nachfolger übergeben. Die Familientradition steht dagegen. Vor allem aber auch ein Weiteres: seine Liebe Getrud Wohlert. Die Danzingerin ist Lehrerin in Hitdorf, und am 4. August 1924 heiratet die 37-Jährige den 44 Jahre alten Apotheker Hubert Proempeler. Mit dieser Eheschließung verbunden ist gewiss auch die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Apothekertradition der Familie. Tatsächlich stellt sich bei dem Paar Kindersegen ein. Am 25. Juni 1927 kommt die Tochter Klara Maria zur Welt und fast genau zwei Jahre später, am 13. Juni 1929, erblickt Sohn Theodor das Licht der Welt. Somit sind erst einmal die Voraussetzungen geschaffen, das (vererbbare) Monheimer Apothekenrecht (Real-Recht - s.o.) innerhalb der Familie zu halten und später an die dann dritte Generation weiterzugeben. Aber bis die Kinder einmal so weit sein werden, dass an Nachfolge, Vererbung usw. ernsthaft gedacht werden kann, müssen natürlich erst viele Jahre verstreichen.

Zwischenzeitlich nimmt Hubert Proempeler Ende 1929 tatsächlich die Apotheke nach dem Tod seiner Mutter in Besitz. Wirtschaftlich geht es dem Unternehmen nicht besonders gut. Wie Sohn Theodor Jahrzehnte später berichtet, sind Tageseinnahmen von "weniger als zehn Reichsmark" keine Ausnahme. Das ist auch nach den damaligen Maßstäben eher mager und gibt durchaus zur Sorge Anlass. Immerhin befindet sich das Haus Zollstraße 1, in dem ja auch seit jeher die Apothekenräume mit untergebracht sind, im Familienbesitz. Aber diese seit dem Bau des Hauses über mehr als 100 Jahre bestehende Gegebenheit hat einen Nachteil. Die Küche nämlich muss sich die Haushalts- und die Apothekenführung teilen. Die Apotheke aber braucht eine Küche zur Bereitung mancher Arzneimittel. Selbstverständlich achtet der Apotheker Hubert Proempeler peinlichst genau darauf, dass ein exakt erstellter Stundenplan zur Küchenbenutzung penibelst eingehalten wird. Viele Jahre lang hat daher die Aufsichtsbehörde auch keinerlei Einwände gegen diese Regelung. Aber mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 ändert sich auch Stück für Stück die Struktur und Organisation des Apothekenwesens. Die nationalsozialistisch gesinnte "Arbeitsgemeinschaft deutscher Apotheker" prägt den Grundsatz der "Wiedergeburt der Pharmazie". Dies richtet sich gegen die rasant zunehmende industrielle Fertigung von Arzneimitteln. (Anm.: In den 1920er Jahren lag der Anteil in der Apotheke vorort hergestellter Arzneimitteln nur noch bei ca. 25%.) Kritiker nennen diesen Weg zurück zur Eigenherstellung in der einzelnen Apotheke eine "utopisch-nostalgische Forderung". Sie fürchten eine schleichende Verschlechterung der Arzneimittelqualität sowie eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Aber allen Bedenken zum Trotz lassen sich die Machthaber nicht von diesem rückwärts gerichteten Weg abbringen.

Ob da die Monheimer Verhältnisse mit der flexiblen, abwechselnden aber eben doch gemeinsamen Küchenbelegung wohl weiterhin akzeptiert wird? Auch standespolitisch greifen die Regierenden ein. Der Einführung einer neuen Apothekenbetriebsordnung (1934) folgt 1937 die Gründung der "Reichsapothekenkammer" verbunden mit der Neubesetzung aller maßgeblichen Positionen. Dies alles führt im Jahr 1938 anlässlich einer Besichtigung (Revision) der Monheimer Apotheke zu Ungemach. Die Aufsichtsbehörde verlangt in der Tat, dass keinerlei Apothekenarbeiten mehr in der auch vom Wohnhaushalt genutzten Küche durchgeführt werden. Deshalb fordert sie ultimativ einen Standortwechsel. Der damalige nationalsozialistische Bürgermeister hat auch sofort einen konkreten Vorschlag, nämlich die Verlegung in ein freies Ladenlokal nur ein paar Meter entfernt am Markt. Für den Apotheker Hubert Proempeler ist dies alles ein Schock. Nicht nur, dass er aufgrund der dann auf ihn zukommenden Mietzahlungen erhebliche neue Zusatzkosten verkraften müsste, macht ihm zu schaffen. Noch viel, viel mehr fühlt sich der inzwischen 58-Jährige, der seit 30 Jahren verantwortlich Apotheken geleitet hat, in seiner Pharmazeutenehre gekränkt. Unterstellt doch die Anordnung der Aufsichtsbehörde, dass er in den bisherigen Räumen keinen ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb mehr gewährleisten könne. Nein, das alles sieht Hubert Proempeler überhaupt nicht ein. Er erkennt hinter der Entscheidung der Aufsichtsbehörde Willkür und Intrige. Und so verweigert er die Zustimmung zu all' dem. Er ignoriert die Aufforderung, den Standort zu wechseln. Da braut sich nun wahrlich Unheil zusammen. Wie wird die totalitäre Staatsmacht auf die Weigerung des Monheimer Apothekers reagieren??

Willkür, Trümmer, Aufbruch - und zwei Umzüge - 1938 bis 1960 - Letzter Teil

Ende 1929 übernimmt Hubert Proempeler die Monheimer Apotheke nach dem Tod seiner Mutter Klara mit allen Rechten und Pflichten. Damit geht erstmals in der Geschichte der 1804 priveligierten Apotheke zu Monheim das dortige Real-Recht von den Eltern auf den Sohn über. Eine kleine Tradition sollte hiermit begründet werden.
Neun Jahre lang bleibt es in der Apotheke Hubert Proempelers ruhig. Die Geschäfte laufen eher schlecht als recht, aber die Familie ist zufrieden. Zwei Kinder, die 1927 geborene Tochter Klara Maria und der zwei Jahre jüngere Sohn Theodor, lassen das Ehepaar Gertrud und Hubert Proempeler auf die Zukunft hoffen. Da sorgt im Jahr 1938 eine routinemäßig alle paar Jahre anstehende Rezesion (amtliche Besichtigung) der Monheimer Apotheke für große Aufregung: Die Aufsichtsbehörde bemängelt den Umstand, dass im Rahmen des Apothekenbetriebs zum Zweck der allmorgentlichen frischen Herstellung einiger Kräuterabkochungen die direkt angrenzende Hausküche des Wohntraktes des Apothekengebäudes benutzt werden muss. Über 130 Jahre lang hat dies niemanden gestört, da stets gewährleistet war, dass in diesen frühen Morgenstunden keinerlei private Küchenarbeiten durchgeführt werden. So achtet auch Hubert Proempeler auf die strikte Trennung der Küchenbelegung. Aber die Aufsichtsbehörde bleibt bei ihrem Standpunkt und verlangt ultimativ die Verlegung der Apotheke zu einen neuen, geeigneten Standort. Der nationalsozialistische Bürgermeister Monheims schaltet sich ein und präsentiert einen konkreten Vorschlag: "Verlegung der Apotheke vom Haus Turmstraße 33 (früher Kirchweg 33) in das Haus Nr. 29", welches nur wenige Meter entfernt liegt. [Anm.: Die Adresse Turmstraße 33, zuvor Kirchweg 33, entspricht der heutigen Zollstraße 1, unter der das Gebäude bis zum heutigen Tag zu besichtigen ist. Das Haus Nr. 29, das oben erwähnt wird, existiert ebenfalls noch. Das dazugehörigen Ladenlokal steht heute leer und beherbergte zuletzt das Bistro "Grenzenlos" am Alter Markt.]

Hubert Proempeler widersetzt sich diesem Vorschlag bzw. der Anordnung der Behörde. Er befürchtet angesichts seiner ohnehin nicht üppigen wirtschaftlichen Lage durch die dann fällige zusätzliche Mietbelastung einige Schwierigkeiten. Vor allem aber fühlt sich der inzwischen 58-Jährige in seiner Pharmazeutenehre gekränkt. Schließlich unterstellt die Forderung der Aufsichtsbehörde, dass er, der seit 30 Jahren zunächst die Hubertus Apotheke in Langenfeld und dann die Monheimer Apotheke geleitet hat, keinen ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb mehr am bewährten eigenen Standort garantieren könne. Nein, das sieht Hubert nicht ein. Er ignoriert also die Umzugs-Anordnung. Die Aufsichtsbehörde reagiert kompromisslos-unnachgiebig: Die Monheimer Apotheke wird geschlossen. Vier Wochen lang bleibt dies so. Nach etwa einem Monat ohne Einnahmen muss Hubert Proempeler einlenken. Er zieht mit dem Apothekenbetrieb notgedrungen in das Haus Turmstraße 29. Dort betreibt er die privilegierte Monheimer Apotheke bis zu seinem Tod am 7.11.1955. Über die Zeit von 1938 bis 1955 ließe sich natürlich Einiges schreiben. Vor allem die Kriegszeit hat viele literarische Spuren hinterlassen. Eindrucksvoll sind z.B. die Schilderungen im Buch "Zeiten einer Stadt 1150-2000" (Schelmenverlag Jean König Monheim am Rhein). Der interessierte Leser kann darin etwa auf den Seiten 109 ff oder 160 Berichte von Zeitzeugen zur Situation Monheims 1944/45 nachlesen.

Es lässt sich kaum erahnen, was wohl in den Monheimerinnen und Monheimern vorgegangen sein mag, da fast alles um sie herum in Schutt und Asche fällt im Dorf. Auch die Apothekerfamilie Proempeler ist mit betroffen, als bei den Bombenangriffen des 20. und 21. Februar 1945 die katholische Pfarrkirche St. Gereon schwer getroffen und total zerstört wird - und dies keine 50 Meter neben den Häusern der Turmstraße/Zollstraße, zu denen auch das Wohnhaus der Apothekerfamilie und das Gebäude gehört, in dem Hubert seit 1938 die Monheimer Apotheke betreibt. Wie durch ein Wunder bleibt jedoch der Kirchturm stehen - bis zum Montag, dem 26. März 1945: "Am Abend gegen 8 Uhr beginnt der Kirchturm ..., durch Phosphorgranaten in brand geschossen, zu brennen .... Die anliegenden Häuser wie Speck, Proempeler und das Pfarrhaus sind stark gefährdet", so berichtet der Chronist in dem oben genannten Buch. Groß ist dann die Erleichterung, denn: "Da aber der Turm in sich zusammensank, wurde durch seinen Brand keines der anliegenden Häuser beschädigt..." Über die Versorgungslage in dieser Zeit sei am Beispiel des für viele Menschen lebensnotwendigen Insulin aus einer anderen Quelle zitiert: "... Insulin ist so gut wie überhaupt nicht mehr zu haben. Die Schwierigkeiten werden mit jedem Tag größer ..." Am Ende des 2. Weltkriegs stellt sich ein trauriges Bild dar: "Von den 7500 Apotheken im Jahr 1939 waren rund 20% am Kriegsende total zerstört, weitere 20% konnten nur in notdürftig hergerichteten Räumen den Betrieb aufrecht erhalten", so wird die Lage im Mai 1945 an anderer Stelle geschildert. Auch Huberts Sohn Theodor Proempeler - damals 16 Jahre alt - erzählt später über diese Zeit von nicht mehr existierenden Straßen - und Bahnverbindungen von oder nach Monheim, von tagelang ausfallender Strom- und Wasserversorgung, von im Haus zerborstenen Fensterscheiben, fehlenden Dachziegeln und der katastrophalen Beschaffungssituation an Arzneimitteln; auch er erwähnt v.a. das fehlende Insulin. So gehört auch die Monheimer Apotheke zu den 20% Apotheken, die in diesen schlimmen Monaten den Betrieb nur noch provisorisch aufrecht erhalten können.

Nach dem verheerenden Krieg kommt das normale Apothekenleben nur sehr langsam wieder in Gang: "Lebenswichtige Medikamente sind ... nur in kleinsten Mengen verfügbar und streng rationiert, aber auch zur Arzneiherstellung benötigte Grundstoffe wie Spiritus, Zucker, Vaseline sowie Öle und alle notwendigen Behältnisse zur Abgabe der Arzneimittel sind Mangelwaren in der Apotheke der Nachkriegszeit", so ist an einer Stelle zu lesen. In Monheim entwickelt sich aber auch Erfreuliches. Beide Kinder der Apothekerfamilie machen Abitur und Sohn Theodor beginnt ein Pharmaziestudium in Passau. Bei erster Gelegenheit - nach zwei Semestern - wechselt er nach Bonn, um seinen Eltern näher zu sein. Vor allem der inzwischen über 70 Jahre alte Vater Hubert ist mit Herzproblemen gesundheitlich ein wenig angeschlagen und bedarf zunehmend tatkräftiger Unterstützung. 1953 macht Theodor dann Staatsexamen. 1954 beantragt Hubert Proempeler die Verlegung der privilegierten Monheimer Apotheke (wie sie immer noch heißt) in einen noch zu errichtenden Neubau an die Krischerstraße, die damals grade erst gebaut wird. Bis dahin existiert dort nur ein Trampelpfad parallel zu den Straßenbahngleisen - damals genannt "Schwarzer Weg". Dem Antrag wird stattgegeben, der Neubau wird in Angriff genommen. Unmittelbar vor dessen Fertigstellung stirbt der Apotheker Hubert Proempeler am 7. November 1955. Den Umzug der Familie und der Apotheke in das neue Gebäude Krischerstraße 11 erlebt er nicht mehr mit.

Ab Januar 1956 befindet sich die Monheimer Apotheke also an dieser Stelle. Theodor Proempeler übernimmt in 3. Generation die Leitung. Er gibt dem Unternehmen den Namen Rhein Apotheke, den es bis heute an gleicher Stelle führt. Der seinerseits 27-Jährige weiß wohl damals - beim Umzug - schon um die bald anstehende Notwendigkeit einer Namensgebung. Denn die (einzige) "Monheimer Apotheke" schlechthin wird es schon bald nicht mehr geben: Eine Apothekerin aus Düren, deren Antrag auf Gründung einer eigenen neuen Apotheke abgewiesen wurde, klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die über Jahrhunderte bestehende gesetzlich gesteuerte Beschränkung der Apothekenzahl durch Privileg oder Konzession. Am 11. Juni 1958 fällt dann das Bundesverfassungsgericht auf der Basis der Verfassung der noch jungen Bundesrepublik Deutschland, in der die freie Wahl von Beruf und Arbeitsplatz bestimmt wird, ein zeitgemäßes und längst überfälliges Urteil: Es beendet das Privilegien- und Konzessionsrecht im Apothekenwesen und sorgt stattdessen für die Einführung der unbeschränkten Niederlassungsfreiheit bei Apotheken. Und hiermit endet nun also die Geschichte der privilegierten Apotheke zu Monheim. Auf 146 wechselvolle Jahre blickt sie zurück. Ihre Fortsetzung findet sie in der Geschichte der Rhein Apotheke Monheim, die auch heute noch an der Krischerstraße 11 zu finden ist, inzwischen in der 4. Generation unter dem Namen Proempeler geführt wird und sich - so darf der Autor mit Recht behaupten - guter gesundheit erfreut und sich hoffentlich noch lange erfreuen wird.
Aber dies ist eine andere, eine neue Geschichte.

Georg Proempeler
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